Hybridbildgebung: „Hier gilt wirklich 1+1=3“
Die Deutsche Röntgengesellschaft und die Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin haben im September 2017 einen großen Schritt in Sachen interdisziplinäre Zusammenarbeit getan: Mit der Gründung der interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft für Hybride Bildgebung wollen sie ihre Kompetenzen und Innovationen aus Radiologie und Nuklearmedizin bündeln, um die Hybridtechnologie voranzutreiben. Die beiden Vorstandsvorsitzenden PD Dr. Lale Umutlu (für die Radiologie) und Prof. Dr. Ken Herrmann (für die Nuklearmedizin) berichten im Interview über die Ziele der AG und die Pläne für die Zukunft.
Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Was kann die Hybridbildgebung, was andere bildgebende Verfahren nicht leisten?
Prof. Dr. Ken Herrmann: Hybride Bildgebung verknüpft Funktion mit Anatomie; das ist einzigartig. Hier gilt wirklich: 1+1=3.
PD Dr. Lale Umutlu, Universitätsklinikum Essen PD Dr. Lale Umutlu: In der PET/MRT wird diese Rechnung noch mal um ein Vielfaches multipliziert, weil die MRT als Bildgebungspartner nicht nur die reine Anatomie wiedergeben kann, sondern mit der multiparametrischen Bildgebung eine Vielzahl an Daten zur Erfassung der Funktionalität von Erkrankungen zur Verfügung stehen; die PET trägt darüber hinaus molekulare bildgebende Information bei. Diese Parameter gilt es nun hinsichtlich ihrer Funktion als mögliche nicht-invasive Biomarker zu erforschen und ihre Zweckmäßigkeit in der klinischen Diagnostik zu analysieren.
Im September 2017 wurde die „Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für hybride Bildgebung der Deutschen Röntgengesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin“ gegründet. Was genau hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Herrmann: Moderne hybride Bildgebung erfordert die gebündelte Kompetenz und Innovationskraft aus Radiologie und Nuklearmedizin. Dies gilt nicht nur für die eigentliche „hybride“ Akquise der Bilddatensätze, sondern auch für die Befundung sowie die klinische und wissenschaftliche Arbeit.
Umutlu: Nur gemeinsam wird es uns gelingen, diese moderne Technologie voranzutreiben, weiterzuentwickeln und zu optimieren, und schließlich in der klinischen Routine zu verankern. Wir sehen die Gründung dieser neuartigen Form einer interdisziplinären AG mit gleichberechtigten Partnern als Chance für die deutsche Radiologie und Nuklearmedizin, zusammen eine Vorreiterrolle einzunehmen. Als Initiatoren freuen Herr Herrmann und ich uns sehr, dass wir mit Herrn Professor Schönberg und Herrn Professor Krause als Präsidenten der Fachgesellschaften Unterstützung auf höchstem Niveau gefunden haben.
Welche konkreten Vorstellungen und Ziele verbinden Sie mit dieser neuen AG?
Umutlu: Die Vorstellungen und Ziele gehen Hand in Hand: es geht darum unser Wissen, unsere Kompetenz und unsere Energie synergistisch einzusetzen, um die Weiterentwicklung und Optimierung der hybriden Bildgebung voranzutreiben, mit dem Ziel, diese in der klinischen Routine und bei den Kostenträgern erfolgreich zu etablieren. Insbesondere der Aspekt der Kostenerstattung erfordert ein gemeinsames Vorgehen, um den diagnostischen Vorteil, den wir uns von der hybriden Bildgebung erhoffen (und erwarten), auf die klinische Patientendiagnostik übertragen zu können.
Bei der Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft für hybride Bildgebung haben zwei Fachgesellschaften zusammengefunden, um gemeinsam ein Thema voranzutreiben. Welchen Nutzen sehen Sie in dem interdisziplinären Ansatz und mit welcher Erwartungshaltung begegnen Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen aus der „anderen“ Fachgesellschaft?
Prof. Dr. Ken Herrmann, Universitätsklinikum Essen Herrmann: Auch hier gilt 1+1=3. Nuklearmedizin und Radiologie stehen sich als bildgebende Fachdisziplinen von Natur aus nah. Beide Fachgesellschaften bringen fachspezifische aber auch fachübergreifende Kompetenzen in der morphologischen, funktionellen und molekularen Bildgebung an den Tisch, die es nun gilt in der hybriden Bildgebung zu vereinen.
Umutlu: Dem kann ich nur zustimmen. Beide Disziplinen haben ein Interesse daran, dass die hybride Bildgebung vorangetrieben wird. Somit macht die Bündelung der einzelnen Expertisen absolut Sinn.
Wie sieht die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Praxis aus – oder anders gefragt: Wer ist für was zuständig?
Herrmann: Eine fachspezifische Aufteilung von Aufgaben ist genau das, was wir nicht wollen. Wir wollen wirklich die Probleme und Herausforderungen gemeinsam angehen und gemeinsam meistern. Dazu gehört auch, dass die alltägliche Arbeit wie z.B. Patientenakquise, -aufklärung, Radiopharmaka-Applikation und Befundung gemeinsam durchgeführt wird.
Was sind die nächsten Schritte bzw. welche Vorhaben haben Sie kurzfristig geplant?
Umutlu: Einer der ersten Schritte ist es, interessierte Mitglieder zu werben und zu integrieren. Wir planen die erste Mitgliederversammlung am 09.02.2018 am Vortag zum PET/MRT Symposium in Essen durchzuführen. Dieses reine PET/MRT Symposium haben wir als Radiologie, Nuklearmedizin und Medizinphysik des Universitätsklinikum Essen sehr erfolgreich erstmalig in 2017 ausgerichtet. Es ermöglicht es uns, interessierte Kollegen in engen Kontakt zu bringen, offene Gespräche über Studienkollaborationen und die täglichen Herausforderungen der PET/MRT zu führen und von national und international anerkannten Experten Tipps und Tricks zu erfahren.
Herrmann: Als erster offizieller Akt der AG planen wir eine deutsche Richtlinie zur Durchführung von Ganzkörper-PET/MRT Untersuchungen herauszugeben. Ab 2018 werden wir uns gezielt dem Aufbau von multizentrischen Studienkonzepten widmen, um mittelfristig eine Refinanzierung der Hybridbildgebung, insbesondere der PET/MRT, zu erarbeiten.
Abschließend noch eine Prognose für die Zukunft: Welchen Weg wird die Hybridbildgebung in Forschung und klinischer Anwendung Ihrer Einschätzung nach in den kommenden Jahren beschreiten?
Herrmann: Sie wird ein fester Bestandteil der ambulanten und stationären Patientenversorgung werden. Außerdem wird sie auch in Zukunft ein Treiber der präklinischen und klinischen Bildgebungsforschung sein.
Vielen Dank für das Gespräch!